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Das alte „evangelische Gemeindehaus“

Berge von Bauschutt, Haufen von Dachbalken und Schrott, Baustellenabsperrungen und riesige Transparente mit schönen Bildern von neuen Projekten. So zeigt sich mir Anfang Februar 2014 unser altes Gemeindehaus. Dieses Bild schmerzt. Erinnerungen kommen hoch. Viele Jahre meines Lebens bin ich in diesem Ge-bäude ein und ausgegangen, habe mich über die gefühlten 1000 Treppenstufen geärgert, über die technischen Unzulänglichkeiten und die fehlende Isolation im großen Saal, der dadurch entweder wunderbar kühl oder mollig warm war – nur nicht zu der Jahreszeit, zu der man es gebraucht hätte. In meinen Erinnerungen reihen sich viele Einzelne wie an einer Perlenschnur hintereinander. Zum ersten Mal war ich 1972 kurz nach unseren Zuzug nach Neulußheim beim „Bazza“ im Gemeindehaus. Damals neu renoviert und gestrichen, die Treppe mit PVC belegt, erlebte ich zum ersten Mal diese Großveranstaltung. Die Bube-jungschar war zum Dienst in der. Garderobe im Keller eingeteilt. Es gab ein buntes Programm über 3 Tage. Eröffnet wurde der Reigen vom traditionellen Fußballspiel zwischen Gemeinde und Kirchengemeinde. Danach ging’s im Gemeindehaus richtig los. Legendär die russischen Eier des Frauenkreises oder die Farbschleuder mit Wäscheschleudermotor von Onkel Gerhardt Eichelberger.

Jungscharstunden mit Indiaca auf der Wiese vorm Haus kommen mir in Erinnerung. Winterliche Bastelmittage und Lieder aus der Mundorgel. Die kleine Bücherei der Kirchengemeinde im Nebenraum des kleinen Saales fällt mir wieder ein. Die Bühne im großen Saal mit Vorhang, verstellbaren Kulissen und einem eigenen Regieraum, wo bei den Familienabenden von Kirchenchor und AB-Verein große Theaterstücke aufgeführt wurden. Der Jugendraum mit Billardtisch und Tischtennis. Meine Konfirmandenzeit mit Pfarrer Link und 60 Konfirmandinnen und Konfirmanden im großen Saal. Aus der Zeit nach der Konfirmation kommen mir die Jugendkreis-Abende, Teestube und vieles andere wieder in Erinnerung. Etliche Jahre später kam ich als Leiter des evangelischen Kindergartens wieder zurück nach Neulußheim und ins Gemeindehaus. Noch heute kann ich mich gut an dieses Wiederkommen erinnern. Das Haus war mir auch nach 20 Jahren noch vertraut. Selbst die Gerüche der einzelnen Räume waren geblieben. Die Gruppenräume des Kindergartens waren in einem guten, neu sanierten Zustand, viele andere Räume haben wir selbst mit unserem Hausmeister und viel Eigenleistung schön hergerichtet. Auch der Garten mit der großen Kastanie, dem Kirschbaum, die vielen versteckten Ecken und Winkel machten den Kindergarten zu etwas besonderem. Aber es gab auch viele Unzulänglichkeiten und Mängel. Im Winter galt mein erster Blick morgens von der Straße aus immer zuerst dem Kamin. Wenn Rauch aufstieg lief die Heizung. Wenn nicht …

So habe ich die Entscheidung der Kirchengemeinde das alte Gemeindehaus aufzugeben zwar bedauert aber auch gut verstehen können. Die Arbeit der Kirchengemeinde muss von Ihrem Auftrag und ihren Aufgaben geprägt sein und sich nicht durch Sentimentalitäten über ein mittlerweile nicht mehr zeitgemäßes Gebäude ausbremsen lassen. Aber trotz des schönen, neuen und sehr zweckmäßigen Gebäudes hat dieser erste Schritt des Abschiedes schon wehgetan. Der zweite Schritt kam dann mit dem Umzug des Kindergartens ins Podey-Haus. Auch hier schwang Wehmut mit. Aber überwältigt von den Aufgaben und den Möglichkeiten im neuen Kindergarten verdrängte ich die mittlerweile schon Jahre alte Entscheidung. Aber jetzt tut es doch weh. Und ich glaube, es gibt eine Menge Neulußheimerinnen und Neulußheimer, die sich im Moment an ihre Erlebnisse im alten Gemeindehaus zurückerinnern. An Zeiten, in denen nicht alles besser, sondern einfach anders war. Und mit diesen Erlebnissen wird auch dieses Stück Neulußheimer Geschichte, unser „ehrwürdiges altes Gemeindehaus“, in unserer Erinnerung bleiben.

C. Lörch