Nach Oftersheim und Eppelheim hat es in Nordbaden nun auch die beiden Pfarrämter in Neulußheim und Reilingen erwischt: Beide Einrichtungen sind in der Nacht vom ersten auf den zweiten Weihnachtsfeiertag Opfer von Einbrechern geworden. Die Polizei hat die Ermittlungen aufgenommen. Die beiden Pfarrerinnen Katharina Garben (Neulußheim) und Eva Leonhardt (Reilingen) geben Antworten auf die drängendsten Fragen.
Was ist passiert?
Gemerkt haben es die beiden Pfarrerinnen Katharina Garben und Eva Leonhardt erst, als die Einbrecher schon über alle Berge waren: In der Nacht vom ersten auf den zweiten Weihnachtsfeiertag haben sich Einbrecher Zutritt zu den beiden Pfarrämtern verschafft. „Ich habe es am Morgen des zweiten Weihnachtsfeiertags bemerkt. Ich wollte den Anrufbeantworter im Büro wegen meines Urlaubs besprechen und habe dann gesehen, dass die Eingangstür zum Sekretariat aufgesplittert war“, sagt Katharina Garben. Nach ähnlichen Vorfällen in Oftersheim, Eppelheim und auch in Kindergärten in der jüngsten Vergangenheit sei sie dann schon alarmiert gewesen. Der Schlüsselkasten sei aufgebrochen und der Tresor geleert worden. „Was den Tätern in die Hände gespielt hat: Die Kirche ist aus Energiespargründen nachts nicht beleuchtet. Es ist so dunkel wie nie.“ Zudem sei der Bewegungsmelder von den Einbrechern abgeklebt worden.
„Bei uns waren sie auch noch in der Kirche“, ergänzt Eva Leonhardt. In Reilingen habe man zuerst bemerkt, dass ein Fenster der Kirche offen gestanden habe. Die Tür vom Kircheninnern zur Sakristei sei aufgebrochen gewesen. „Da ist aber nichts weggekommen“, gibt die Pfarrerin Entwarnung. „Dann habe ich noch mal in unseren Tresor geschaut, weil der Riegel der Balkontür unten war und ich gedacht habe, ich hätte den zugemacht.“ Der Tresorschlüssel habe wieder an seinem Platz gehangen, der Safe selbst sei aber auch hier ausgeräumt gewesen. Der Einbruch selbst sei ihr zunächst gar nicht aufgefallen. Die Polizei habe dann festgestellt, dass die Kellertür aufgebrochen wurde.
Welcher Schaden ist entstanden?
Sowohl in Neulußheim als auch in Reilingen ist Sachschaden in noch unbekannter Höhe entstanden. Viel schlimmer trifft die beiden Gemeinden allerdings, dass sowohl die Kollekte der Gottesdienste als auch viele Spendentütchen von der Aktion „Brot für die Welt“ gestohlen wurden. „Bei uns waren es die Kollekten von vier Gottesdiensten und die sogenannte Tütensammlung“, erläutert Katharina Garben. Und da man diese Spenden gesammelt verbuchen müsse, „lassen wir das liegen und rechnen das im Januar ab.“ Wie hoch der Schaden konkret ist, können die beiden Pfarrerinnen daher nicht beziffern. „Anhand der Vergleichswerte und der Anzahl der Besucher, die da waren, schätze ich, dass in Neulußheim 1500 bis 2000 Euro gestohlen wurden“, sagt Katharina Garben. „Bei uns sind es bestimmt auch 1500“, meint Eva Leonhardt. Der Sachschaden halte sich in Reilingen in Grenzen. „Es ist nichts verwüstet worden. Die Einbrecher sind sehr zielstrebig und sorgfältig vorgegangen.“ Die beiden Seelsorgerinnen bedauern es, dass es bei den Banken nicht mehr die Möglichkeit gibt, Geld im Nachttresor unterzubringen. „Man könnte jetzt hingehen und die Scheine direkt am Automaten einzahlen. Doch es haben nur zwei Personen eine entsprechende Bankkarte dafür. Und man müsste das Geld vorher noch nach dem Vier-Augen-Prinzip zählen und eintragen“, erklärt Katharina Garben. An einem „normalen“ Sonntagsgottesdienst sei selbstverständlich wesentlich weniger Geld da. „Es ist diese eine Nacht, die kritisch ist“, meint Katharina Garben. „Und weil so viele Gottesdienste hintereinander sind, kommt man auch gar nicht dazu, alles einzutragen, noch nicht mal zu zählen“, sagt auch Eva Leonhardt. „Es wird ja auch alles im Safe verstaut. Es ist nicht so, dass wir das Geld einfach auf dem Schreibtisch rumliegen lassen.“ Aber auch in Reilingen seien die Leute, die das Geld normalerweise einzahlen über die Feiertage in Urlaub. „Und die Ehrenamtlichen sind in den Gottesdiensten gebunden. Die sind an diesen Tagen sowieso schon viel mehr belastet.“
Es sei außerdem schwierig, an diesen Tagen den Überblick zu behalten, gibt Katharina Garben zu bedenken. „Wir hatten in beiden Gemeinden unterm Strich jeweils rund 1200 Gottesdienstbesucher. Klar kommt einem da mal einer im Nachhinein komisch vor. Aber das ist ja fast immer so“, sagt sie und muss lachen. Für Eva Leonhardt ist es eine schwierige Situation: „Wir freuen uns, wenn die Leute an Weihnachten kommen und die Kollekte hoch ist, speziell, wenn es an Brot für die Welt geht. Aber am Ende ist es wohl am besten, wenn wir künftig darauf verweisen, direkt an die Organisation zu spenden. Es ist ein schlimmes Gefühl. Die Leute kommen, spenden, und das Geld ist jetzt weg.“
Wie wird der Schaden jetzt reguliert?
„Das läuft jetzt alles über den Oberkirchenrat“, sagt Katharina Garben. Die Unterlagen seien eingegangen. Jetzt müsse man alles aufnehmen, Kostenvoranschläge für die Reparaturen der Türen einholen und auch für den Austausch der Schließanlage. „Wir können leider nicht ausschließen, dass Schlüssel gestohlen wurden. Das ist jetzt ein Gerenne.“
Welche Konsequenzen ziehen die beiden Gemeinden?
„Konkret geht es um diese zwei, drei Nächte während der Weihnachtsfeiertage. Das werden wir dann wahrscheinlich anders regeln“, kündigt Katharina Garben an. „Wir haben uns da auch Gedanken gemacht, wie man es den Einbrechern zumindest hätte schwerer machen können“, sagt Eva Leonhardt. Die Pfarramtssekretärin habe die Kollekte am zweiten Weihnachtstag dann gleich eingezahlt, ebenso wie Geld, das die Einbrecher übersehen hatten. Die beiden Pfarrerinnen wollen gemeinsam mit dem jeweiligen Kirchengemeinderat nach Wegen suchen, wie man so etwas in Zukunft verhindern kann. „Man muss entweder noch in der Nacht zur Bank gehen und das Geld einzahlen, oder wir müssen uns von befreundeten Institutionen helfen lassen, die eine Alarmanlage haben“, meint Katharina Garben.
„Wir bieten auch die Möglichkeit an, dass man digital spenden kann“, betont Katharina Garben. Das funktioniert zum Beispiel über die App „Twingle“ oder per Paypal an neulussheim@kbz.ekiba.de. Weihnachten sei aber nach wie vor der Tag, an dem viele Leute in die Kirche kämen. „Was schön ist.“ Und die Leute brächten dann auch entsprechend Bargeld zum Spenden mit.
Eine Kirchengemeinde basiere auf Vertrauen. „Wir wollen ja gar nicht immer alles zuschließen“, sagt Katharina Garben. Und so solle es auch bleiben. „Man kann auch nicht zu stark regulieren, wer wo wann rein kann. Es sind die Räume von allen Mitgliedern der Gemeinde. Und das sind 2200 Leute. Wir sind hier keine Exklusivveranstaltung“, betont Katharina Garben. Die Evangelische Kirche funktioniere nur so, dass Ehrenamtliche und Hauptamtliche zusammenarbeiten.
In Reilingen sei die Kirche während der Adventszeit und auch an den Weihnachtsfeiertagen tagsüber geöffnet für die Leute zur persönlichen Andacht, ergänzt Eva Leonhardt. Selbstverständlich sei es im Kirchengemeinderat Thema gewesen, was passiere, wenn die Kirche quasi unbeaufsichtigt offen ist. Ob da nichts wegkommen könne. „Aber da dachten wir eher an unser E-Piano oder daran, dass jemand die Sakristei aufbricht“, erläutert Eva Leonhardt.
Wohin können sich betroffene Spender bei Fragen wenden?
Katharina Garben bezeichnet es als eines der Hauptprobleme: „Wir wissen jetzt nicht, wer was gespendet hat und wer eine Spendenbescheinigung haben wollte.“ In Reilingen sind einige der Spendentütchen in den Kollektenkörbchen gelandet. „Da hatten wir uns auch noch nicht notiert, wer wie viel gespendet hat“, sagt Eva Leonhardt. „Wir wollten die Weihnachtsfeiertage erst mal vorbeigehen lassen. Deshalb ist es jetzt auch hier schwierig, weil nichts verschriftlicht ist.“ Die Spender werden, wenn sie sich melden uns sie es wünschen, aber trotz allem eine Spendenbescheinigung bekommen, meint Katharina Garben. „Wir würden die Bescheinigung dann auf Treu und Glauben ausstellen. Denn gespendet wurde ja.“
Wer gespendet hat, kann sich in Neulußheim an das Pfarramt unter Telefon 06205 31130 oder per E-Mail an neulussheim@kbz.ekiba.de wenden. Das Pfarramt in Reilingen ist zu erreichen unter der Telefonnummer 06205 4418 oder per E-Mail an reilingen@kbz.ekiba.de.
Wer für die Aktion „Brot für die Welt“ spenden möchte, kann dies per Überweisung an die Organisation direkt tun, IBAN DE10 1006 1006 0500 5005 00.
Text: Christian Treptow